Vergesst Rechts und Links! Polarisiert besser von Rückwärts nach Vorwärts (ergänzt 09.23).

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Wieso eigentlich immer noch in den Kategorien Links und Rechts denken, statt Rückwärtsgerichtet versus Vorwärtsgerichtet? Links- und Rechtsdenken polarisiert unnötig, führt zu Grabenkämpfen, Unverständnis und zu Feindbildern, die es eigentlich nur in der Phantasie gibt (denn wer rechts ist, ist nicht nur rechts und umgekehrt gilt das Gleiche für links).
Zugegeben rückwärtsgerichtet wirkt rückständig, stehengeblieben, regressiv und vorwärtsgerichtet wirkt progressiv, zukunftsorientiert. Am ehesten entspricht Rückwärtsgerichtet einer rechtspolitischen Haltung und Vorwärtsgerichtet einer Linkspolitischen. Wieso also neu benennen? Weil es die Ausrichtung klarer beim Namen nennt und weniger zu ideologischen Grabenkämpfen ermuntert. Doch muss man die Begriffe noch klarer umschreiben:
Rückwärtsgerichtet will das Bisherige bewahren, Altes erhalten, Traditionen weitertragen. Grundlegendes siehe Anhang B.
Vorwärtsgerichtet will Veränderung, will Schlechtes durch Besseres ersetzen, Altes über Bord werfen.
Grundsätzlich muss man sich fragen, was hat sich bewährt und nutzt uns, was ist nicht mehr zeitgemäss, was braucht dringend Veränderung.
Dabei gilt es Prioritäten zu beachten, und zwar:
Was muss beachtet werden, damit die Menschheit möglichst wenig Schaden nimmt (Weltpolitische Lage, Klima etc.). Damit Leiden möglichst gering gehalten werden kann. Das implementiert dann grundlegend, dass der Mensch sich gerecht behandelt fühlt, dass Chancengleichheit besteht, dass Fauna und Flora wieder mehr in ein gesundes Gleichgewicht gebracht werden.
Nun ist die Frage, wie viel Veränderung erträgt der Mensch, kann er den nötigen Veränderungen überhaupt folgen? Das Bewährte ist über Jahrhunderte gewachsen und hat sich im Sinn von weit verbreitetem Wohlstand bewährt. Nicht bewährt hat es sich in Sachen Ressourcenverschwendung und dessen Auswirkungen. Bei einigen kommen die Ressourcen nicht an (Wohlstand/Armut), an anderen Stellen verursachen die Ressourcen zu viele Belastungen (Umwelt/Klima).
Wir sind allein durch die Masse an Menschen an eine Grenze gelangt, wo es dringenden Handlungsbedarf gibt. Das sollen jetzt aber nicht die Linken und Grünen richten, sondern die Vorwärtsgerichteten. Hier ist ein Grabenkampf einfach nur dumm. Es ist meist so, dass Visionen zu Idealen oder Ideologien führen. Doch diese Visionen sind nicht nur einfache Spinnereien, sondern gründen auf einem Ungleichgewicht, einer Ungerechtigkeit, bzw. einem System, dass aus den Fugen gerät und sie wollen eine Lösung dafür aufzeigen, wie es besser werden könnte, wie Rettung möglich wäre.
Um beim Thema zu bleiben, will ich darauf hinweisen, dass Rechts-Links-Populismus eine Lösung sehr erschwert, weil der Fokus nicht mehr auf der Sache liegt, sondern beim Feindbild.
Da wir einfache Kategorien brauchen, um uns im Alltag verständlich zu machen, ist es viel sinnvoller solche wie "Vorwärtsgerichtet" und "Rückwärtsgerichtet" zu benutzen, da man dadurch eher ins lösungsorientierte Handeln kommt (nicht in Feindbildern stecken bleibt). Ausserdem sind die Rechts-Links-Kategorien komplett überladen und abgenutzt und brauchen nur schon daher eine Ablösung.

Rückwärtsgerichtet kann natürlich eine Verklärung beinhalten. Jemand stellt sich zum Beispiel die gute alte Zeit als viel besser vor, als sie war. Dann ist es eigentlich ein Vorwärtsgerichtet (eine Vision einer besseren Zukunft anhand einer idealisierten guten alten Zeit).

Die rückwärtsgerichtete Perspektive verspricht vielfach Halt und Sicherheit (was der Mensch heutzutage im Angesicht der Weltlage scheinbar braucht). Das Problem ist, dass wir an eine Grenze gestossen sind, wo alte "bewährte" Systeme nicht mehr funktionieren. Der Kapitalismus mit seinen engen Regeln hat uns bis hierher gebracht und dafür kann man ihm danken oder auch nicht. Deswegen müssen wir die Regeln neu denken und die Triebkraft neu ausrichten (z.B. versteckte Kosten einrechnen).

Es gibt auch die, welche das System kippen wollen und die Vision haben, ein neues System könnte die Lösung sein (z.B. die Vision einer besseren Zukunft anhand einer idealisierten guten alten Zeit). Das Problem ist, dass unser System über Jahrhunderte gewachsen ist und ausgehandelt wurde. Es würde mindestens die gleiche Zeit brauchen, um wieder entstehen - und ausgehandelt werden zu können. Und wer weiss, was dabei herauskäme. Was man aber sicher weiss, ist, dass der Aushandlungsprozess mit viel Leid, Gewalt und Ungerechtigkeit einherging. Wollen wir das nochmals auf der Ebene durchmachen? Wollen wir nochmals aushandeln, wie viel Macht ein einzelner Mensch zugesprochen bekommt? Oder wie viel Macht der Staat hat. Die Gefahr ist gross, dass eine politische Situation wie in China, Russland oder Iran, Nordkorea etc. entsteht. Siehe Anhang A.

Und es gibt die, welche an alten Erfolgen anknüpfen wollen. Doch die heutige Situation ist deswegen eine komplett andere, weil wir als Menschheit nun eine Grenze erleben, welche wir nicht überschreiten dürfen (Zerstörung unseres Lebensraumes, Zerstörung der Biosphäre Erde). Deswegen kann man mit alten, bewährten Mitteln nur im egoistischen und abgeschotteten Bereich punkten (im eigene Land, regional, lokal), verliert aber als Ganzes (Menschheit, Erde). Das betrifft vor allem konservative Politiker, aber vor allem auch Despoten oder Täuscher wie Erdogan, Trump, Orban, Al-Assad etc. Der Erfolg dieser rückwärtsgewandten Politik gründet sich daraus: "Wie viel Veränderung erträgt der Mensch". Scheinbar wenig bis keine Veränderung? Doch Veränderung wird kommen! Wir können sie präventiv abfedern oder wir werden später einen viel höheren Preis dafür zahlen, nicht über unseren Schatten gesprungen zu sein.

Und es gibt die, welche die Situation retten und verbessern wollen. Das ist eigentlich zum Glück noch die grosse Mehrheit. Leider lässt sich diese gerade auch durch Rechts-Links-Propaganda täuschen. Deswegen ist es umso wichtiger, die Rechts-Linkspolitischen Begriffe neu zu definieren, um der Täuschung Einhalt zu gebieten.

Streng genommen, deckt diese "querpolare" Neuausrichtung nicht alle Möglichkeiten ab. Denn was ist z.b. mit Ausländerfeindlichkeit oder Protektionismus?
Da muss man eine zusätzliche polare Dimension eröffnen:
"Abschottung versus Öffnung".
Denn vorwärts ist nicht unbedingt Öffnung und rückwärtsgewandt heisst nicht unbedingt Abschottung. Es kann je nach Thema immer auch umgekehrt sein oder anderweitig polarisiert.
In das polare Model "Abschottung versus Öffnung" würde wahrscheinlich mehr passen, als in "vorwärts gewandt versus rückwärts gewandt". Andererseits beschreibt jede Polarität ein Gebiet besser als das Andere. Deswegen durchqueren sich diese zwei Polaritäten genauso wie jede übliche Darstellung von rechtspolitisch oder linkspolitisch, welche noch weniger klar zu verstehen ist, weil die meisten Menschen mehrere Positionen (links/rechts) in sich vereinen.
Aber nur schon diese zwei Polaritäten (vorwärts/rückwärts und abschottend/öffnend) bringen schon viel mehr Klarheit ins Verstehen der gesellschaftlichen Positionierungen als rechts und links.
Noch schönerer, bzw. universellere polare Modelle wären z.B. "starr versus beweglich" oder "mutig versus ängstlich" (möglicherweise zu universell?). "Die Starren befürworten diese Gesetzesvorlage" würde eine hypothetische politische Situation wahrscheinlich besser beschreiben (als rechts/links).
Rechts oder links ist niemand in allen Belangen, und auf Grundlage dessen zu polarisieren erscheint nicht sehr helle. Oder was meinst du?

Anhang A: Der Mensch ist insofern intelligent, als er es versteht, seine Macht durchzusetzen. Wahrhaft intelligent wäre er, wenn er das Leid einkalkulieren würde, das entsteht, wenn Einzelne sich auf Kosten anderer mit Ego-Zielen durchsetzen (siehe Despoten der Geschichte als Extrembeispiel; Meist fängt es im Kleinen schon auf dem Pausenhof an; Machtverzicht ist dann schon mal ein Schritt in eine neue Richtung). Es liegt in der Natur des "intelligenten" Menschen, dass er sich mit Macht durchsetzt. Oder anders ausgedrückt: Intelligenz ist der Drang zur Macht, welcher erst mit höherer, bzw. übergeordneter Intelligenz Einhalt geboten werden kann. Das System, bzw. das Kollektiv ist diese über Jahrtausende gebildete übergeordnete Intelligenz (das gebildete Misstrauen), welches dieser Ego-Macht Einhalt gebieten kann und soll (Aufklärung, Demokratie versus diktatorische Systeme). Der Einzelne will immanent diese Macht ausleben/enthemmen (sofern er kann, sofern er Chancen dazu hat) und wenn er nicht von Aussen gebremst wird, hinterfragt er diesen Trieb leider kaum.

Anhang B: „Rückwärtsgewandt sein“ ist uns immanent sowieso zu eigen. Von Rückwärts kommen wir (Geschichte der Vergangenheit) und beziehen uns dauernd darauf (ob bewusst oder unbewusst). Jedes komplexe System, wie Leben und seine Sozialstrukturen, ist gewachsen auf Altem. Deswegen ist es viel einfacher nach der Logik eines solchen Systems weiterzuwachsen (bzw. erfolgt automatisch), als die Richtung zu ändern und Neues zu versuchen. Also ist rückwärtsgewandt das dominante Prinzip und wir müssen uns sehr darum bemühen, trotzdem vorwärts gewandt so zu agieren, dass wir auch die Kurve kriegen.